Tag der offenen Baustelle
Am vergangenen Sonntag, dem 12. November, öffnete der historische Gasthof seine alten Türen und bot etwa 600 Besucherinnen und Besuchern einen faszinierenden Einblick in die Vergangenheit und die Zukunft eines geschichtsträchtigen Pirnaer Ortes: Der Rat des Schwarzen Adlers hatte die Bevölkerung herzlich eingeladen, am Tag der offenen Baustelle am Dohnaischen Platz teilzunehmen. Die Mitglieder der Investorengruppe, die sich dem 45-Mio-Euro-Projekt angenommen haben, kommen allesamt aus der Region und sehen den Wiederaufbau des Hotels als ein Herzensprojekt. Drei der vier Mitglieder sowie die Teams des verantwortlichen Architektur- und Marketingbüros waren am Sonntag anwesend, um das Vorhaben erstmals öffentlich zu präsentieren und mit der Stadtbevölkerung in den Dialog zu gehen.
Bereits aus der Entfernung war das rege Interesse spürbar, als sich vor dem imposanten Gebäude im Herzen der Stadt eine lange Menschenschlange bildete. Wer die Glasfenster-Flügeltür passierte, begab sich auf eine Zeitreise durch die Jahrhunderte.
Die ersten Schritte führten die Besucherinnen und Besucher hoch über die Treppen der verfallenen Substanz, bis sie den beeindruckenden Jugendstilsaal erreichten, der schon viele rauschende Feste, Großveranstaltungen und gesellige Zusammenkünfte gesehen hatte. Seit der Einstellung der Saalnutzung schlummerten die überstrichenen Wände, das aufgerissene Parkett und die porösen und einst so festlichen Säulen, die die Empore trugen, leise im Herzen des Gasthofes vor sich hin, während die Bevölkerung dessen Existenz nahezu vergaß. Wind und Wetter, das viele Jahreszeiten lang durch den morschen Dachstuhl ins Innere des Gasthauses eindrang, riss Teile der Saaldecke ein und richtete große Wasserschäden an. Die monatelang von einer ansässigen Restauratorin freigelegten Wandgemälde blitzten hinter den weiß übertünchten Farbschichten hervor und gaben den Blick auf ursprüngliche Naturszenen frei, die noch vom Jugendstil geprägt worden waren. Hier, zwischen Schutt und dem noch zu erahnenden, einstigen Glanz des Saals, erläuterte der hauptverantwortliche Fachkreis aus Architektur und Restauration des Großprojektes ausführlich die Pläne und Baumaßnahmen zum Rückbau und der Wiederherstellung der Gebäudestruktur. Mit einer Kapazität von bis zu 450 Personen auf Parkett, einer Galerie sowie einem Balkonzimmer soll die geplante Sanierung der Stadt Pirna nun endlich wieder einen angemessenen Kultursaal bescheren, wobei der unvergleichliche historische Wert Stück für Stück dokumentiert, rekonstruiert und rückgebaut werden soll.
Nach der beeindruckenden Einführung begaben sich die Besuchenden auf eine Entdeckungstour durch lange Gänge, um die ehemaligen Hotelzimmer und zuletzt als Mietunterkünfte genutzten, mit einer dicken Staubschicht überzogenen Räume zu erkunden. Als Teil des Projekts „Junges Wohnen“ wurden sie noch nach der Jahrtausendwende zu erschwinglichen Preisen vermietet, bevor auch diese Nutzung aufgrund der zunehmend verfallenden Bausubstanz eingestellt wurde. Die lebhaften Erzählungen über die persönlichen Erinnerungen und Erlebnisse in den Räumlichkeiten hallten gedämpft über den grauen Teppichboden, während Kameras klickten und die geplanten Renovierungen mit großem Interesse besprochen wurden. Vorsichtig und bedächtig tasteten sich die Schritte von Raum zu Raum, wohlwissend, dass es der letzte Blick auf Gemäuer, Türen und Holzpaneele war, mit dem der historische Zustand dieses Ortes so intensiv und nah erlebt werden konnte.
Geflieste Tunnelgänge mit Waschbecken und kaputten Spiegeln an den Wänden, die zu Gastronomie und Einzelhandel des Erdgeschosses gehörten, geleiteten die Kulturinteressierten aus Pirna, Dresden und dem nahen Umfeld wieder ins Tageslicht hinaus. Der Rundgang setzte sich als eine Art Freilicht-Museum von der zur Breiten Straße gewandten Hausfassade fort, die historische Ereignisse und die bis ins Mittelalter zurückreichende Geschichte des Gasthofes präsentierte. Die in den Schaufenstern ausgestellten Informationen, Bilder und Zukunftspläne zogen sich wie ein roter Faden um das Gebäude herum und mündeten in einem Ausstellungsraum, der die geplante Zukunft des ersten Hauses am Platze beleuchtete. Großformatige Architektur- und Baupläne bedeckten die Wände, während Informationsflyer untersucht und viele Fragen besprochen wurden. Die Aufmerksamkeit und das Interesse zu den geplanten Änderungen waren tiefgreifend, die Rückmeldungen sehr zusprechend und positiv. Die Trauer über den Verlust von großen Veranstaltungen der einst so kulturreichen Stadt sitzt tief. Der Wunsch nach dem familiären Charakter einer hübschen Kleinstadt, die von Kunst und Kultur, von Zusammenkunft und Geselligkeit geprägt ist, wurde in vielen Gesprächen zum Ausdruck gebracht.
Ob die intensiven Recherche-, Planungs- und Restaurationsarbeiten, die bisher stattgefunden haben und das Haus aus seinem melancholischen Kleid heraushelfen sollen, Früchte tragen werden, hängt nun nur noch von einer Instanz ab: der Sächsischen Aufbaubank, die für die Stattgabe der Fördermittel verantwortlich ist, ohne die das Projekt schlichtweg nicht umsetzbar sind. Nachdem die involvierte Hausbank ihre Zusage gegeben hat, einen Teil der Finanzierung zu übernehmen, gibt die Sächsische Aufbaubank den Antrag statt und stellt die Fördermittel bereit. Die Entscheidung, auf die nun alle sehnsüchtig blicken, soll im 1. Quartal 2024 getroffen werden. Hoffentlich zugunsten eines Projektes, welches Pirna bereichert und die Gesellschaft wieder näher zusammenbringen möchte.